Der Kundenwiderruf beim Handwerk

1. Einführung

Unternehmer, die über das Internet Waren zum Verkauf anbieten, müssen ihren Kunden, soweit es sich um Privatpersonen handelt, ein Widerrufsrecht einräumen. Wenn der Kunde sein Widerrufsrecht in Anspruch nimmt, ist der Unternehmer (nachdem er die Ware zurückerhalten hat) zur Rückerstattung des Kaufpreises verpflichtet. Für den Verkauf von Waren über das Internet ist die Rechtslage allgemein bekannt.

Weniger bekannt ist dagegen, dass auch Handwerker ihren Kunden in bestimmten Situationen ein Widerrufsrecht einräumen müssen. Vergisst er dies oder informiert seinen Kunden aus anderen Gründen nicht über das bestehende Widerrufsrecht, setzt er seinen gesamten Vergütungsanspruch aufs Spiel.

So hatte der EuGH mit Urteil vom 17. Mai 2023 (Rechtssache C- 97/22) einem Elektriker seinen gesamten Vergütungsanspruch versagt, nachdem der Kunde – trotz erfolgreichem Abschluss der Arbeiten – von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemachte hatte.

2. Wann besteht ein Widerrufsrecht?

Zunächst, das Widerrufsrecht muss nur gegenüber Privatpersonen eingeräumt werden. Handlungsbedarf seitens des Handwerkers besteht somit nicht, wenn es sich bei seinem Kunden um folgende Art von Kunden handelt:

  • GmbH,
  • oHG,
  • e.K.,
  • Aktiengesellschaft
  • oder einen sonstigen Gewerbetreibenden

Handelt es sich bei dem Kunden dagegen um eine Privatperson, gibt es im Wesentlichen drei Fälle, die ein Widerrufsrecht begründen.

a. Vertragsabschluss über Fernkommunikationsmittel (sog. Fernabsatz)

Ein Widerrufsrecht entsteht in Situationen, wenn die Geschäftsanbahnung und die Auftragserteilung ausschließlich über Fernkommunikationsmittel erfolgen. Hierzu gehört die telefonische Beauftragungen genauso wie die Beauftragung des Handwerkers per E-Mail.

Beispiele:

  • Der Kunde ruft beim Elektriker an und bittet um Installation einer Steckdose. Der Elektriker bestätigt dem Kunden daraufhin am Telefon in den kommenden Tagen vorbeizukommen und die Arbeit zu erledigen.
  • Durch einem Sturm wurde das Dach beschädigt. Der Hausherr ruft am nächsten Morgen seinen Zimmermann an und bittet um Reparatur. Dieser verspricht dem Kunden ihn noch in der aktuellen Woche einzuplanen und den Schaden zu beheben.
  • Der Kunde bittet telefonisch um die Zusendung eines Angebot für die Durchführung von Installationsarbeiten. Der Handwerker übersendet dem Kunden daraufhin ein Angebot per Post. Drei Tage später erhält der Handwerker eine E-Mail des Kunden, mit dem dieser das Angebot annimmt und ihn um die Durchführung der Arbeiten bittet.

Wichtig:

Entgegen der weit verbreiteten Meinung bedarf es für eine wirksame Auftragserteilung in vielen Fällen noch nicht einmal einer konkreten Absprache über die anfallende Vergütung. Eine das Widerrufsrecht begründende Auftragserteilung kann sogar dann vorliegen, wenn bei Auftragserteilung über die Vergütung nicht ausdrücklich gesprochen wurde.

Auch ist es für das Bestehen des Widerrufsrechts unerheblich, dass die spätere Auftragsdurchführung beim Kunden vor Ort erfolgt. Für die Entstehung des Widerrufsrechts maßgeblich ist die Erteilung des Auftrags über Fernkommunikationsmittel. Wann, wo und wie der Auftrag ausgeführt wird, ist nicht entscheidend.

b. Vertragsschluss auf der Baustelle

Ein Widerrufsrecht besteht für den Kunden auch in Fällen, in denen der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerkers zustande kommt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Kunde mit dem Handwerker vor Ort auf der Baustelle trifft, um den konkreten Auftrag zu besprechen und im selben Zuge zu erteilen.

Wichtig:

Oftmals unterschätzt wird in dem Zusammenhang auch das Risiko, dass durch die Beauftragung von Zusatzarbeiten entsteht. Werden während der Bauarbeiten neue Mängel an der Bausubstanz entdeckt und der Bauherr beauftragt daraufhin den Handwerker an Ort und Stelle mit deren Beseitigung, kann dies ein eigenständiges Widerrufsrecht für den Kunden begründen.

Selbes gilt, wenn der Bauherrn den Handwerker bei Gelegenheit („da er schon einmal gerade da ist“) mit zusätzlichen Arbeiten beauftragt.

c. Neubau und erhebliche Umbaumaßnahmen („Verbraucherbauvertrag“)

Die dritte Fallgruppe liegt bei Aufträgen vor, die den Bau eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude zum Gegenstand haben. Das Widerrufsrecht besteht in dem Fall bereits auf Grund des Auftragsgegenstands, unabhängig davon wo und wie der Vertrag zustande gekommen ist.

3. Was gilt es im Falle des Widerrufsrechts zu beachten?

Ist eine der vorgenannten Situationen gegeben, steht dem Kunden grundsätzlich ein 14tägiges Widerrufsrecht zu. Darüber muss der Handwerker den Kunden informieren. Ihn trifft eine gesetzliche Informationspflicht, die der Auftragserteilung zeitlich vorgelagert sein muss. Kommt es bei der Unterrichtung zu Fehlern, so verlängert sich das Widerrufsrecht des Kunden um mehr als ein Jahr.

a. Informationspflicht

Die genauen Informationspflichten, denen der Handwerker nachzukommen hat, sind teils sehr umfangreich. Sie ergeben sich im Einzelnen aus § 246a EGBGB. Für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten mit einer Vergütung kleiner EUR 200,00 sieht das Gesetz gewisse Erleichterungen bei der Informationspflicht vor.

Als ein wesentlicher Teil der Informationspflichten ist der Handwerker in allen Fällen dazu verpflichtet, den Kunden über die Bedingungen, die Frist und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Dies geschieht in Form einer dem Kunden zur Verfügung zu stellenden Widerrufsbelehrung.

b. Form

Das Gesetz macht auch konkrete Vorgaben, in welcher Form die Informationen dem Kunden zur Verfügung zu stellen sind. Handelt es sich um einen Vertrag, der außerhalb der Geschäftsräume des Handwerkers geschlossen wurde, d.h. im Regelfall vor Ort auf der Baustelle, sind die Informationen grundsätzlich in Schriftform zur Verfügung zu stellen.

Handelt es sich dagegen um einen Vertrag, der ausschließlich per Fernkommunikation (E-Mail, Telefon, Post) zustande gekommen ist, muss eine Form gewählt werden, die für das entsprechende Medium angepasst wurde.

c. Beginn mit den Arbeiten vor Ablauf der Widerspruchsfrist

Wenn dem Kunden ein Widerrufsrecht zusteht, ist es ratsam mit der Durchführung des Auftrags erst nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist zu beginnen. Andernfalls läuft der Handwerker Gefahr, die bereits erhaltene Vergütung an den Kunden zurückerstatten zu müssen, obwohl ein wesentlicher Teil der Arbeiten von ihm bereits erbracht wurde.

Möchte der Kunde, dass mit den Arbeiten dennoch bereits vor Ablauf des Widerrufsrechts begonnen wird, ist dies grundsätzlich möglich. In diesem Fall sind aber weitere Formalien zu beachten. Der Kunde muss ausdrücklich zustimmen, dass der Handwerker bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten beginnt und dass Widerrufsrecht vorzeitig erlischt. Die Erklärung sollte sich der Handwerker zu Beweiszwecken allerdings ausschließlich in schriftlicher Form geben lassen.

Allerdings, ein Risiko bleibt bei diesem Vorgehen: Selbst wenn der Kunde zustimmt, erlischt das Widerrufsrecht erst nach vollständig erbrachter Leistung. Das bedeutet, dass der Handwerker bis zur vollständigen Fertigstellung der Arbeiten weiterhin dem Risiko eines Widerrufs ausgesetzt bleibt. In diesem Fall erhält der Handwerksbetrieb zumindest einen Wertersatz vom Kunden für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen. Im Einzelfall kann letzterer aber schwer zu ermitteln sein.

Daher empfiehlt sich dieses Vorgehen nur für kleinere Arbeiten mit geringem Zeitaufwand. In allen anderen Fällen empfiehlt es sich den Ablauf der Widerrufsfrist abzuwarten.

Achtung:

Bei Verbraucherbauverträgen, d.h. Verträgen, die den Bau eines neuen Gebäudes oder erhebliche Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude zum Gegenstand haben, besteht keine Möglichkeit das Widerrufsrecht mit Zustimmung des Kunden vorzeitig zum Erlöschen zu bringen.

4. Sonderfall: Erledigung „dringender Reparaturen“

Für dringende Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten besteht eine Ausnahme. Sie sind grundsätzlich vom Widerrufsrecht ausgenommen. Die Ausnahme gilt aber nur in einem sehr begrenzten Umfang. Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB gilt sie insbesondere nicht:

„hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,“

Wichtig:

In der Realität verlassen sich Handwerksbetriebe zu oft leichtfertig auf den für dringende Reparaturen geltenden Ausnahmetatbestand. Übersehen wird in dem Zusammenhang, dass ein Widerrufsrecht im Einzelfall zwar nicht bestehen mag, der Handwerker aber trotzdem verpflichtet bleibt den Kunden über das (Nicht-)bestehen des Widerrufsrecht zu informieren. Kommt der Handwerker seiner Informationspflicht nicht nach (siehe oben), macht er sich gegenüber dem Kunden schadensersatzpflichtig. Diese Schadensersatzpflicht kann dazu führen, dass es zu einer Rückabwicklung des Vertrages kommt, obwohl – bei ordnungsgemäßer Belehrung – ein Widerrufsrecht überhaupt nicht bestanden hätte.

5. Fazit

Die Risiken, die sich aus dem Widerrufsrecht für Verbraucher ergeben, werden im Handwerk oft unterschätzt oder gar vollständig übersehen. Teils entsteht das Widerrufsrecht auch aus der Situation heraus. Die größte Gefahr besteht dabei bei Aufträgen, die (spontan) auf der Baustelle zustande kommen.

Selbst wenn die Situation richtig eingeschätzt wird, sind mit dem Widerrufsrecht hohe formale Anforderungen verknüpft. Werden diese nicht beachtet, kann der Kunde auch nach mehr als einem Jahr noch von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen und vom Handwerksbetrieb sein Geld zurück verlangen. Dass dieses Risiko real ist, zeigt das Urteil des EuGH vom vom 17. Mai 2023 (Rechtssache C- 97/22) deutlich auf.

Im Idealfall sollte die Entstehung eines Widerrufsrecht deshalb so gut wie möglich vermieden werden. Möglich ist dies mit der Implementierung von Prozessen, die auf den jeweiligen Handwerksbetrieb maßgeschneidert wurden. Lässt sich ein Widerrufsrecht in der konkreten Situation nicht vermeiden, so ist es zumindest wichtig, dass der Handwerksbetrieb dies rechtzeitig erkennt und die richtigen Formulare für die Widerrufsbelehrung bei der Hand hat.